Die Rolle der Weltanschauungen

Jeder Mensch hat eine Weltanschauung - auch wenn die meisten sich dessen nicht bewusst sind. Sie setzt sich zusammen aus miteinander vernetzten grundlegendsten Überzeugungen über die Wirklichkeit. Das sind Überzeugungen wie, dass es keinen Gott gibt oder dass man Ihn nicht erkennen kann (falls es Ihn gibt), dass alles in der Welt auf natürlichen Prozessen beruht usw. 

 

Diese grundlegenden Annahmen werden Präsuppositionen genannt. Sie legen nicht nur fest, was einen Fakt ausmacht (konstituiert), sondern auch wie er gedeutet wird. Diese Grundannahmen über die Wirklichkeit bestimmen auch darüber, was überhaupt als möglich angesehen wird und darum, was wahrscheinlich ist.

 

Jeder Mensch trägt nun das, wovon er schon im Vorfeld zutiefst überzeugt ist, mit heran zu den Belegen. Die Deutung folgt dann immer den Präsuppositionen. Es ist ein häufig anzutreffender Irrtum, dass christliche und naturalistische Wissenschaftler z.B. jeweils unterschiedliche Belege vorbringen würden, um für ihr Weltbild zu argumentieren. Es handelt sich vielmehr um ein und dieselben Daten, die jedem zur Verfügung stehen. Der Unterschied liegt in der Deutung dieser Daten. Die naturalistische Weltanschauung wird heutzutage willkürlich und dogmatisch als DIE Standard- oder allgemeinverbindliche Ausgangsposition ausgegeben, an die sich jeder zu halten hat.

 

Ein Wissenschafter z.B., der einem methodischen Naturalismus folgt, beobachtet die Lebewesen und stellt fest, dass sie aus Zellen bestehen. Dann fragt er, wie die erste sich selbst reproduzierende Zelle entstehen konnte und fängt an verschiedene Hypothesen aufzustellen. Er testet sie sodann und danach werden sie entweder beibehalten oder verworfen. Bei alldem folgt er vom Anfang bis zum Ende seiner naturalistischen Methode oder seinem naturalistischen Weltbild (ontologischer Naturalismus). Ob seine getesteten und beibehaltenen Thesen wahr sind, ob sich in der Vergangenheit alles wirklich so verhalten hat, darüber kann er niemals Gewissheit erlangen und es demnach niemals wirklich wissen. Das bedeutet, selbst WENN er einen Weg finden würde, wie alles theoretisch von selbst entstehen und sich entwickelt haben könnte, er könnte es niemals wissen. Das gleiche gilt bei der Auswertung von Daten, die für oder gegen die Existenz Gottes oder der Glaubwürdigkeit der Bibel sprechen würden.

 

Dabei bewegt sich der naturalistische Forscher (meistens unbewusst) in einem Zirkel. Er belegt seine naturalistische Weltanschauung unter Anwendung der Prinzipien und Kriterien seiner naturalistischen Weltanschauung. Das soll aber kein Vorwurf sein, denn JEDER Mensch - egal welche Position er vertritt - geht derart vor. Es ist schlicht unmöglich losgelöst von einer Methode oder Position irgendetwas zu belegen. Es ist unmöglich neutral, ohne bestimmte Grundannahmen (Präsuppositionen) an etwas heranzutreten. Selbst die Überzeugung, dass es möglich ist an etwas neutral heranzugehen, ist bereits in einem gewissen Sinn eine Weltanschauung. Den Naturalismus aber dogmatisch als DIE Standardposition zu vorauszusetzen, ist keine Lösung dieses "Problems".

 

Dann gibt es ein Phänomen, dass "weltanschaulicher Rettungskunstgriff" genannt werden kann: dem Weltbild scheinbar widersprüchliche Evidenz wird durch ein erdachtes Szenario sinnvoll in die Weltanschauung eingeordnet. Bei einem Vertreter der Evolutionstheorie kann das folgendermaßen aussehen: Das Universum ist den besten Schätzungen aus säkularer Sicht ca. 13,7 Mrd. Jahre alt, aber es gibt Kometen, die höchstens um die 100.000 Jahre alt werden. Diese Evidenz würde für ein eher junges Universum sprechen. Was geschieht jetzt? Wird er seine gesamte Theorie über Bord werfen?

Aus seiner Sicht MUSS es eine Quelle für diese Kometen geben. Und ein Mann namens Oort erdenkt sich die sog. oortsche Wolke, die die Kometen herausspuckt. Niemand hat sie je beobachtet, aber sie oder etwas ähnliches muss da sein. Das ist wieder kein Vorwurf. Jeder ist in seinem intellektuellen Recht, wenn er so vorgeht. Das funktioniert bei christlich-theistischen Wissenschaftlern nicht anders. Als Beispiel mag hier das Licht der weit entfernten Sterne dienen. Es gibt eine Reihe von Erklärungsmöglichkeiten, vielleicht ist eine von ihnen wahr oder keine und die richtige muss noch entdeckt werden.

 

Was damit gesagt werden soll, ist, dass es letztendlich IMMER ein Konflikt zwischen Weltanschauungen ist. Darum sind es die Weltanschauungen, die auf Widerspruchsfreiheit geprüft werden müssen und ob sie Wissen ermöglichen. Wenn eine Weltanschauung in sich logisch widersprüchlich, ja selbstwiderlegend ist, dann ist sie schlicht falsch - dem wird man hoffentlich zustimmen können. Stimmigkeit ALLEIN ist aber noch lange kein Beweis dafür, dass eine Weltanschauung wahr ist. Sie muss auch Wissen ermöglichen. Eine Weltanschauung, die die Möglichkeit zerstören würde irgendetwas wissen zu können, ist von vornherein falsch und erst überhaupt nicht verteidigungsfähig. 

 

Josef Drazil

letzte Änderung: 06.01.2015

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