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In Rom herrscht lehrmäßige Einheit. Es gibt festgelegte Dogmen, die man glauben muss, sonst schließt man sich selbst aus und kann nicht Teil der röm.-kath. Kirche sein. Schaut man hingegen zu den Evangelikalen, die dem „Die Schrift allein Prinzip“ folgen, dann kann man sehen, was für ein lehrmäßiges Chaos daraus resultiert. Das liegt daran, dass jeder die Schrift so auslegt wie er will. In der röm.-kath. Kirche haben wir durch den Papst und das kirchliche Lehramt einen unfehlbaren Ausleger der Schrift.“
Dieses Argument ist äußerst heimtückisch. Wir wollen aber den besten Fall voraussetzen und davon ausgehen, dass die neuen im Netz missionierenden röm.-kath. Polemiker selbst nicht wissen, warum dieses Argument einen Trugschluss darstellt. Wir wollen davon ausgehen, dass die konvertierten Ex-Protestanten unter ihnen selbst die Heimtücke dieses Arguments nicht durchschaut haben und ihm leicht zum Opfer gefallen sind. Das lässt sich daraus schließen, dass sie dieses Argument Evangelikalen gegenüber nur allzu gerne im Brustton vermeintlicher Überlegenheit vorhalten.
Was stimmt mit diesem Argument nicht? Kurz gesagt, es liegt ihm ein falscher Vergleich Zugrunde. Es handelt sich um einen sog. Trugschluss der falschen Analogie.
Die röm.-kath. Polemiker stellen hierbei die RKK auf der einen Seite allen evangelikalen Kirchen gegenüber, die dem „Allein die Schrift Prinzip“ folgen. Das ist selbstverständlich auf den ersten Blick überraschend und scheint für die RKK zu sprechen - vor allem, wenn dann auch noch die ominöse Zahl von über 40.000 evangelikalen Kirchen und Gemeinden ins Feld geführt wird, wobei Kirchen mitgezählt werden wie die Mormonen, Zeugen Jehovas, Adventisten usw. Das sind aber keine Vertreter des „Allein die Schrift Prinzips“. Die Mormonen z.B. berufen sich auf ihren Propheten Joseph Smith, die Zeugen Jehovas auf die Wachturmgesellschaft als prophetischer Organisation Gottes und die Adventisten haben die Auslegung ihrer Prophetin Ellen G. White. Diese Kirchen folgen eben ausdrücklich nicht dem „Allein die Schrift Prinzip“. Sie folgen wie unzählige Kirchen, Gruppierungen, Bewegungen und Sekten auch, einem ganz anderen Prinzip. Sie folgen dem Prinzip: „Die Schrift und ein unfehlbarer Ausleger“.
Was bei dem Vergleich zwischen der RKK und den evangelikalen Kirchen verschleiert wird, ist, dass die RKK selbst demselben übergeordneten Prinzip zuzuordnen ist, da sie neben der Schrift einen unfehlbaren Ausleger für sich beansprucht wie unzählige Kirchen und Sekten auch.
Ein korrekter Vergleich muss entweder zwischen den beiden Prinzipien gezogen werden oder man muss einzelne Kirchen dieser beiden Prinzipien gegenüber gestellt. Man muss also entweder vergleichend fragen: „Welches Prinzip hat zu mehr oder weniger Einheit in der Lehre geführt?“ oder man vergleicht die RKK als Kind des einen Eltern-Prinzips mit einer Kirche des anderen übergeordneten Eltern-Prinzips, z.B. den Baptisten.
Es gibt selbstverständlich unterschiedliche Baptistengemeinden. Eine grobe Unterteilung wäre z.B. in reformierte und nicht-reformierte Baptisten. Bei der RKK sieht das aber nicht anders aus. Sie stellt keinen monolithischen Block dar. Die Quellen, die die unterschiedlichen evangelikalen Kirchen und Gemeinden auflisten, teilen auch die RKK in mindestens 4 Blöcke unter:
- Da wären zunächst die Katholischen Pfingstler. Das sind römische Katholiken, die an der organisierten katholischen charismatischen Erneuerungsbewegung beteiligt sind.
- Als zweites die Christo-Paganen (lateinamerikanische römische Katholiken, die den Volkskatholizismus mit dem traditionellen Heidentum der Indianer verbinden).
- An dritter Stelle evangelikale Katholiken. Das sind römische Katholiken, die sich selbst als evangelikal betrachten. Johannes Hartl aus dem Augsburger Gebetshaus bezeichnet sich z.B. so.
- An vierter Stelle werden die spiritistischen Katholiken aufgezählt: römische Katholiken, die in einem organisierten starken oder schwachen Spiritismus aktiv sind, einschließlich synkretistischer Geisterbesessenheitssekten.
Diese Liste könnte selbstverständlich um das Lager der moderaten röm. Katholiken erweitert werden, repräsentiert durch so gut wie alle römisch-katholischen Gelehrten. Und neben ihnen das konservative Lager, repräsentiert durch Scott Hahn und so gut wie allen katholischen Apologeten. Neben diesen das traditionalistische Lager, zu dem z.B. der Apologet Gerry Matatics zählt, und die sog. Sedevakantistische römische Katholiken, die glauben, dass der Stuhl Petri derzeit unbesetzt ist.
Wenn wir auf der einen Seite „Die Bibel allein“ ansetzen und auf der anderen „Die Bibel und ein unfehlbare Ausleger“, welche Prinzip oder Glaubensregel wird zu mehr Einheit führen?
Ich glaube, dass es nicht zu leugnen ist, dass „Die Bibel und ein unfehlbarer Ausleger“ der klare Verlierer in diesem Vergleich ist. Würde man ganz willkürlich jeweils fünf Glaubensgemeinschaften herauspicken und gegenüberstellen, dann wäre die größere Einheit unter der Glaubensregel „Alleine die Schrift“ zu finden.
Unter dem Schirm von „Allein die Bibel“ gilt allgemein, dass sich die Glieder der einzelnen Kirchen und Gemeinden als Geschwister im Glauben anerkennen. Unter der Glaubensregel „Die Schrift plus unfehlbarer Ausleger“ ist das so gut wie nicht gegeben. Die Zeugen Jehovas, Mormonen, Katholiken, Adventisten usw. können sich nicht als Geschwister im Glauben anerkennen. Das ist völlig unmöglich. Die RKK sieht die Orthodoxen zwar als getrennte Glaubensgeschwister an, aber das ist unter diesem Prinzip die Ausnahme und beruht ganz auf Einseitigkeit.
Ich komme aus der sog. Brüderbewegung und würde mich heute theologisch als Baptist einstufen. Als evangelikaler Christ und Evangelist im vollzeitlichen Dienst bei einem überkonfessionellen Missionswerk werde ich zu Predigtdiensten in die unterschiedlichsten Gemeinden eingeladen: Brüdergemeinden, Baptisten, Pfingstlern, Freien evangelischen Gemeinden, reformierten Gemeinden, Mennoniten, Mennoniten-Bürder-Gemeinden, Evangeliums-Christen usw.. Vor kurzem habe ich sogar in einer lutherischen Kirche an drei Tagen gepredigt.
Es wird schmerzlich deutlich, dass dieses römisch-katholische Argument nichts weiter ist als eine schlecht durchdachte Argumentation, die für die römisch-katholische Position genauso verheerend ist, wie der römische Katholik es sich gegen den Evangelikalismus denkt.
Janik (Sonntag, 10 September 2023 13:51)
Danke für diesen sehr guten Artikel. Ich habe dieses Argument auch schon öfters gehört und Du (Ich dutze im Internet grundsätzlich und unter Glaubensgeschwistern sollte es m.E sowieso normal sein) beantwortest es perfekt.
Ich hätte noch eine Frage: Die Kath. Kirche behauptet ja, dass Bischöfe und Päpste direkt auf die Apostel zurückgehen. Also dass z.B Paulus und Petrus Ignatius von Antiochien zum Bischof geweiht haben sollen. Wie sieht da die Datenlage aus, worauf beruht dieses Behauptung? Die Apostel selber haben dazu ja m.W nichts selber überliefert. Wie kann man da antworten?
Mit der Kirchengeschichte nach den Aposteln kenne ich mich leider nicht wirklich aus...
Mit herzlichen Grüßen und Gottes Segen