· 

"Ich bin des Liebi; und ich des Ebertshäusers; ich aber des Kaufmanns."

Es gibt ausgezeichnete Bibellehrer im deutschsprachigen Raum und man kann sie mit unglaublich großem Gewinn hören und lesen. Leider scheinen nicht wenige Christen diese Lehrer auf ein derart hohes Podest zu stellen, dass sie unantastbar werden und ihre Auslegung der Bibel, bzw. theologisches System, zum eigentlichen Maßstab.

Absolut JEDER Bibellehrer hat einen prägenden Hintergrund und seinen eigenen "Stallgeruch". Wenn man sich beständig nur mit einer möglichen Sichtweise beschäftigt, wird man bald meinen, dass auch nur eine Sichtweise möglich ist. Wenn man sein Gehör nicht nur einer theologischen Stimme leiht, sondern auch einmal über den eigenen Gemeindetellerrand blickt und andere Lehrer im Leib zu Wort kommen lässt, kann man im Sinne von Sprüche 18,17 eine wahre Bereicherung erleben, selbst wenn man am Ende in seiner Sicht sogar bestärkt wird:

 

Im Recht (scheint), wer in seiner Streitsache als Erster (auftritt), (bis) sein Nächster kommt und ihn ausforscht.

 

Darum ist es empfehlenswert, auch Lehrer aus anderen theologischen Lagern zu hören, damit man ausgewogen bleibt und mit den Sichtweisen anderer bibeltreuer Lehrer im Leib vertraut wird. Von einem christlichen Lager über das andere christliche  Lager zu hören, führt fast unausweichlich zu Falschdarstellungen und Strohmannargumenten. Ein Strohmannargument liegt dann vor, wenn man einen Standpunkt verzerrt oder verkürzt darstellt, so dass er selbstwidersprüchlich erscheint. Man widerlegt nicht den Standpunkt an sich, sondern eine absurde Karikatur dieses Standpunktes. 

 

Vielen Christen ist oft ein grundlegendes Problem der Bibelauslegung nicht bewusst. Jeder Bibellehrer hat Grundannahmen, die ihn bei der Bibelauslegung leiten. Diese Grundannahmen sind Leitregeln, die bestimmen, wie die Bibel ausgelegt werden soll. Wie will man diese Leitregeln zur Auslegung der Bibel aus der Bibel entnommen haben, wenn es doch gerade diese Regeln sind, die die Auslegung der Bibel leiten? Zuerst sind also die Leitregeln zur Auslegung der Bibel da und ihnen folgt dann die Auslegung der Bibel. Die Leitregeln zur Bibelauslegung sind also selbst kein Produkt der Bibelauslegung. Spannende Frage: Woher stammen sie dann? Die Antwort wird den meisten nicht gefallen: Sie sind (in den meisten Fällen) übernommen. Übernommen von wem? Ich würde sagen, von "Lieblingslehrern". Calvin z.B. hat gesagt, dass er seine Theologie ganz aus Augustinus herauslesen könnte und Martin Luther war ein Augustiner Mönch und in einigen Ansichten immer noch katholisch geprägt. Ebenso lesen Mennoniten oder Brüder die Bibel mit einer theologisch gefärbten Brille. Das beginnt aber nicht nur beim Lesen der Bibel, sondern bereits beim Übersetzen derselben. 

 

Es ist daher, um der geistlichen Gesundheit und Einheit im Volk Gottes willen, wichtig zu verstehen, dass das Evangelium den Kern des christlichen Glaubens bildet, denn es offenbart Gottes Herrlichkeit und den Ausweg aus der menschlichen Verlorenheit.  Wo von neuem geborene Menschen zusammenkommen und das Evangelium als rettende Botschaft geglaubt und gepredigt wird, so dass verdammungswürdige Sünder durch Glauben aus Gnade gerettet werden können, dort ist Gemeinde Gottes. Um den Kern des Evangeliums bildet sich eine Kategorie von wichtigen Lehren, die bei all ihrer Wichtigkeit nicht heilsentscheidend sind. Schon hier können wirkliche Gemeinden Gottes anfangen, auseinander zu driften. Ein Auseinandergehen von Lehrmeinungen ist kein neuzeitliches Phänomen, sondern wird bereits in den Briefen des Neuen Testamentes immer wieder angesprochen. 

 

Der Epheserbrief spricht von der Einheit im Geist, die Christen gegeben wurde und die es zu erhalten gilt:

 

1 So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, daß ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, 2 indem ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragt 3 und eifrig bemüht seid, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens: 4 Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; 5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; 6 ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen.  (Eph 4,1-6)

 

Diese Einheit wird durch eine bestimmte Art der Lebensführung erhalten. Sie ist gekennzeichnet durch tiefe Demut, Sanftmut, Geduld, dem Ertragen aus Liebe und dem eifrigen Streben danach, Frieden zu halten. Auf der anderen Seite spricht Paulus wenige Verse danach eine andere Einheit an: 

 

11 Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, 12 zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus, 13 bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife, zum Maß der vollen Größe des Christus; 14 damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen, 15 sondern, wahrhaftig in der Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. (Eph 4,11-15) 

 

Diese Einheit hat offensichtlich mit einem lehrmäßigen Wachstum zu tun, da Paulus von Glauben, Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen redet. Er sagt, damit der Leib Christi gesund bleibt, ein beständiges lehrmäßiges Wachstum erfährt und vor Irrlehren bewahrt bleibt, gibt der Herr Gaben und Ämter. Er scheint ein übernatürliches Wirken Christi durch seinen Geist im Lauf der Geschichte seiner Gemeinde zu lehren. Christen müssen den Einfluss des Zeitgeistes abschütteln, der vom Individualismus geprägt ist, und anfangen als ein Volk zu denken. Eine Begebenheit bringt diese unter uns herrschende Schieflage gut zum Ausdruck: In Israel soll vor einigen Jahren eine Aktion zur Missionierung der Juden gestartet worden sein. Christen klebten sich Aufkleber auf ihre Autos mit der Aufschrift: „Ich habe es gefunden.“ Daraufhin wurde eine Gegenaktion ins Leben gerufen und Juden klebten ihrerseits Aufkleber auf ihre Autos: „Wir haben es nie verloren.“ Hier wird ein grundlegender Unterschied in der Wahrnehmung und im Denken offenbar: Christen denken meist individualistisch, während ein Jude sich als Teil eines Volkes versteht. Wie sehr lag dem Herrn aber die Einheit seines Volkes am Herzen? 

 

Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden, auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf daß auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast. Und ich habe die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen, und damit die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst. (Joh 17,20-23)

 

Diese Verse bringen deutlich zum Ausdruck, dass die Einheit unter Christen entscheidend für die Weltmission ist. Es bleibt zu befürchten, dass die Kinder Gottes weithin unbemerkt dem Zeitgeist des Indiviualismus zum Opfer gefallen sind. Dieser Trend scheint leider zusätzlich bestärkt zu werden, durch wohlmeinende Aufdeckung endzeitlicher Verführungen und damit einhergehender starker Polarisierung, die so weit geht, dass blutserkaufte Kinder Gottes, deren Leiber Tempel des Hl. Geistes sind, nicht als solche wahrgenommen werden. 

Hiermit soll auf keinen Fall einer unbiblischen Ökumene das Wort geredet werden - ganz im Gegenteil! Durch die Heraustellung heilsnotwendiger Wahrheiten soll eine biblische Einheit auf dem Grund und Boden des Evangeliums betont werden. Absoluter jeder, der das Evangelium gehört hat und gläubig geworden ist, der ist in Christus mit dem Hl. Geist der Verheißung versiegelt worden: 

 

In ihm seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eurer Errettung, gehört habt — in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbes ist bis zur Erlösung des Eigentums, zum Lob seiner Herrlichkeit. (Eph 1,13) 

 

Dadurch ist man in den Leib Christi hineingetauft worden und Teil der Familie Gottes. Das bedeutet im Endeffekt, dass jeder, der die heilsnotwendigen Wahrheiten des Evangeliums glaubt von neuem gbeoren ist - er sei Baptisten, FeG'ler, Pfingstler, Mennoniten, Charismatiker usw. usf. Wo das der Fall ist, da ist eine Einheit im Geist gegeben und diese sollen wir erhalten. 

 

Bei allen theologischen Unterschieden, die die heilsnotwendigen Wahrheiten des Evangelium nicht betreffen - Christen müssen sich auf das Evangelium besinnen und von daher jeden aus dem Geist Geborenen als ein durch das Blut des Lammes teuer erworbenes Glied der Familie Gottes verstehen, die seit 2000 Jahren Geschichte Gottes Volk bilden: Ein Leib und ein Geist, wie wir auch berufen sind zu einer Hoffnung unserer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in uns allen. 

 

Selbstverständlich sollen die Lehrer im Leib Christi beständigen im Austausch und Gespräch bleiben, was wichtige, aber eben nicht heilsnotwendige Wahrheiten der Schrift betrifft betrifft (Taufverständnis, Struktur der Gemeinde, Stellung zum Staat usw.). Dadurch hängt nämlich Segen oder Schaden für die Gemeinde Gottes in der Welt ab. Dieser Austasuch soll und kann nur in Liebe und gegenseitiger Achtung geschehen, wenn man ihn als eine interne Familienangelegenheit versteht. Dazu ist selbstverständlich ein klares und tiefes Verständnis des Evangeliums notwendig, um in erster Linie zu erkennen, wer denn überhaupt zur Familie gehört und warum und wer aus welchen Gründen nicht. Nur so kann die andere Einheit von der Paulus spricht und die es zu als Gemeinde Gottes zu erreichen gilt, auch erreicht werden. Gott helfe uns allen dabei. Amen. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0